Im Vergleich zur Stallhaltung können bei weidebasierter Milchviehhaltung die täglichen Liegezeiten reduziert sein. Der zusätzliche Aufwand für den Weidegang und der höhere Zeitbedarf für die Futtertrockenmasseaufnahme, zur Deckung des Nährstoffbedarfs, werden als Ursachen dafür angeführt. In der vorliegenden Arbeit sollte geprüft werden, ob durch eine erhöhte Kraftfuttergabe (KF), die Liegedauer von Vollweide-Milchkühen zu Weidebeginn in einem Koppelsystem erhöht werden kann. Weiters sollten in diesem Zeitraum auch die Auswirkungen der Kraftfutterergänzung auf die Leistung der Tiere erhoben werden.
Der Versuch wurde im Jahr 2020 zu Vollweidebeginn durchgeführt und erstreckte sich von 24. Mai bis einschließlich 23. Juli (60 Tage). Die Liegeparameter wurden innerhalb des 60-tägigen Versuchszeitraums tierindividuell zu drei Perioden über jeweils 14 Tage (24.04.–07.05.; 16.05.–29.05; 10.06.–23.06.) erhoben. Vor Versuchsbeginn wurden 22 Milchkühe der Rassen Holstein Friesian (HF = 16) und Fleckvieh (FV = 6) möglichst homogen auf die 2 Versuchsgruppen (KF1 bzw. KF2) aufgeteilt. In Gruppe KF1 erhielten alle Tiere zusätzlich zum Weidefutter nur eine geringe Menge von 1 kg Frischmasse an Kraftfutter pro Tier und Tag ergänzt. In Gruppe KF2 wurde eine höhere und milchleistungsabhängige Kraftfutterergänzung durchgeführt (< 22 kg Milch 1 kg KF, 22 bis ¿ 24 kg Milch 2 kg KF, 24 bis ¿ 26 kg Milch 3 kg KF, 26 bis ¿ 28 kg Milch 4 kg KF und über 28 kg Milchleistung 5 kg FM KF pro Tier und Tag). Das Kraftfutter setzte sich in beiden Gruppen aus 35% Mais, 60% Gerste und 5% Hafer zusammen. Beide Versuchsgruppen wurden auf der Weide bzw. im Stall (2x tägliche Melkung) in einer gemeinsamen Herde gehalten, die Tiere verbrachten pro Tag etwa 18,5 Stunden auf den Dauerweideflächen. Es wurde ein Koppelweidesystem umgesetzt, die durchschnittliche Weideaufwuchshöhe lag beim Eintrieb bei 8,5 (± 0,75) cm und die Restaufwuchshöhe betrug 5,4 (± 0,57) cm, die Weideruhezeit zwischen zwei aufeinander folgenden Beweidungen lag je Koppel zwischen 15 und 18 Tagen. Die Liegeparameter wurden mit dem HOBO Pendant G Daten Logger bei einem Messintervall von 30 Sekunden erfasst, die Versuchsdaten wurden mit einem gemischten Modell ausgewertet.
Die tägliche KF-Aufnahme (KF1 0,77 und KF2 2,61 kg TM) und die Netto-Energieaufnahme über das KF (KF1 6,3 bzw. KF2 21,5 MJ NEL) unterschieden sich im gesamten Versuchszeitraum signifikant zwischen den Versuchsgruppen. Im Versuchsverlauf (Periode 1 bis 3) nahmen diese Gruppendifferenzen, auf Grund des Milchleistungsrückgangs, ab. Sowohl die energiekorrigierte Milchleistung (ECM) als auch die Milchinhaltsstoffgehalte an Fett, Eiweiß und Laktose unterschieden sich weder über den gesamten Versuchszeitraum noch in den drei Liegedaten-Erhebungsperioden signifikant zwischen den KF-Gruppen. Die ECM-Leistung ging von Periode 1 (KF1 26,1 kg bzw. KF2 27,1 kg ECM) bis 3 (KF1 18,2 kg bzw. KF2 20,4 kg ECM) zurück. Die errechnete Netto-Energieaufnahme aus dem Weidefutter lag in KF2 im gesamten Versuchszeitraum NEL tendenziell (P = 0,092) tiefer als in KF1 (KF1 89,6 MJ bzw. KF2 84,6 MJ NEL). Zu Vollweidebeginn (Periode 1) waren die Differenzen zwischen KF1 (97, 0 MJ NEL) und KF2 (83,0 MJ NEL) signifikant und es wurde hier auch die höchste Verdrängungsrate in der Energieaufnahme aus dem Weidefutter durch die Kraftfutterzulage errechnet. Die Tiere beider Versuchsgruppen zeigten im Versuchszeitraum eine Lebendmasseabnahme, wobei die Tiere in KF1 (-0,7 kg/Tag) im Vergleich zu KF2 (-0,5 kg) numerisch stärker an Lebendmasse verloren. Weder bei der täglichen Liegedauer (Ø 9,1 Stunden), noch bei der Liegeperiodenanzahl pro Tag (Ø 8,0 je Tag), der Liegeperiodendauer je Liegeperiode (Ø 71,5 Minuten) und der tageszeitlichen Verteilung der Liegezeiten wurden signifikante Differenzen zwischen den Versuchsgruppen KF1 und KF2 festgestellt.