Züchtungskunde, 78, (1) S. 44 – 54, 2006, ISSN 0044-5401
Veränderungen der Vokalisation während der Kastration beim Hausschwein weisen auf Schmerzempfindung hin
P. C. Schön, B. Puppe, A. Tuchscherer, G. Manteuffel
Zusammenfassung:
Die chirurgische Kastration männlicher junger Ferkel ohne Anästhetika ist ein routinemäßig angewandtes Verfahren in der Schweinhaltung. Die verschiedenen Handling-Prozeduren und der chirurgische Eingriff rufen eine beträchtliche Anzahl von Vokalisationen hervor, die Anzeichen von Schmerz und Stress der Tiere zu sein scheinen. In der Arbeit wurden verschiedene Parameter dieser Vokalisation von 19 männlichen Ferkeln während der drei Phasen der Kastration (voroperativ, operativ, nachoperativ) untersucht. Die Tiere antworteten auf die Behandlung vorwiegend mit hochfrequenten Lauten(> 1000 Hz). Diese Laute wurden zuverlässig (96,6 %) durch einen automatischen Stresslautklassifikator (STREMODO) klassifiziert, der bestimmte Parameter der Lautproduktion nutzt, die an der „ehrlichen“ Signalgebung beteiligt sind. Mit einer nachfolgenden statistischen Diskriminanzanalyse dieser Parameter erreichten wir signifikant die besten Klassifikationsergebnisse (82,2 %) für Laute, die während des chirurgischen Teils des Kastrationsverfahrens aufgenommen wurden. Dies bedeutet, dass die Stresseigenschaften der Laute am meisten in dieser Phase ausgeprägt sind. Außer der Anzahl von Lauten pro Zeiteinheit wurden auch alle anderen einzelnen Lautparameter der hochfrequenten Vokalisation (Lautdauer, Peakfrequenz, Reinheit und Entropie) signifikant von der chirurgischen Phase der Kastration beeinflusst. Zusammengefasst können die beobachteten Veränderungen der akustischen Parameter während der chirurgischen Phase als Indikatoren für den erlittenen Schmerz interpretiert werden. Wir schließen daraus, dass eine gründliche Analyse des Vokalisationsverhaltens der Tiere helfen kann, Fakten über den Schmerz und die Stressbelastung, die ein Tier empfindet, zu gewinnen.
Die Ergebnisse dieser Arbeit liefern weitere Gründe für eine kritische Neubewertung der aktuellen Praxis der Kastration von Ferkeln ohne Betäubung.
Keywords/Stichworte:Kastration, Schmerz, Bioakustik, Vokaltrakt, Stress, Schwein
Die chirurgische Kastration männlicher junger Ferkel ohne Anästhetika ist ein routinemäßig angewandtes Verfahren in der Schweinhaltung. Die verschiedenen Handling-Prozeduren und der chirurgische Eingriff rufen eine beträchtliche Anzahl von Vokalisationen hervor, die Anzeichen von Schmerz und Stress der Tiere zu sein scheinen. In der Arbeit wurden verschiedene Parameter dieser Vokalisation von 19 männlichen Ferkeln während der drei Phasen der Kastration (voroperativ, operativ, nachoperativ) untersucht. Die Tiere antworteten auf die Behandlung vorwiegend mit hochfrequenten Lauten(> 1000 Hz). Diese Laute wurden zuverlässig (96,6 %) durch einen automatischen Stresslautklassifikator (STREMODO) klassifiziert, der bestimmte Parameter der Lautproduktion nutzt, die an der „ehrlichen“ Signalgebung beteiligt sind. Mit einer nachfolgenden statistischen Diskriminanzanalyse dieser Parameter erreichten wir signifikant die besten Klassifikationsergebnisse (82,2 %) für Laute, die während des chirurgischen Teils des Kastrationsverfahrens aufgenommen wurden. Dies bedeutet, dass die Stresseigenschaften der Laute am meisten in dieser Phase ausgeprägt sind. Außer der Anzahl von Lauten pro Zeiteinheit wurden auch alle anderen einzelnen Lautparameter der hochfrequenten Vokalisation (Lautdauer, Peakfrequenz, Reinheit und Entropie) signifikant von der chirurgischen Phase der Kastration beeinflusst. Zusammengefasst können die beobachteten Veränderungen der akustischen Parameter während der chirurgischen Phase als Indikatoren für den erlittenen Schmerz interpretiert werden. Wir schließen daraus, dass eine gründliche Analyse des Vokalisationsverhaltens der Tiere helfen kann, Fakten über den Schmerz und die Stressbelastung, die ein Tier empfindet, zu gewinnen.
Die Ergebnisse dieser Arbeit liefern weitere Gründe für eine kritische Neubewertung der aktuellen Praxis der Kastration von Ferkeln ohne Betäubung.