Modellentwicklung und Schätzung genetischer Parameter für den Harnstoffgehalt in der Milch bei erstlaktierenden Holstein-Kühen
E. Stamer1 ; W. Brade2 ; W. Junge3 ; G. Thaller3 ; 1 TiDa Tier und Daten GmbH, Bosseer Str. 4c, 24259 Westensee/Brux, E-Mail: estamer@tierzucht.uni-kiel.de ; 2 Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Johannssenstr. 10, 30159 Hannover, E-Mail: Wilfried.Brade@LWK-Niedersachsen.de ; 3 Institut für Tierzucht und Tierhaltung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Hermann-Rodewald-Straße 6, 24118 Kiel, E-Mail: gthaller@tierzucht.uni-kiel.de
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung liegt in der Schätzung genetischer Parameter für den mit Infrarotspektroskopie gemessenen Harnstoffgehalt der Milch sowie in der Bestimmung genetischer Korrelationen des Harnstoffgehaltes zu den wichtigsten Milchleistungsmerkmalen. Zu diesem Zweck erfolgte eine Modellentwicklung unter besonderer Berücksichtigung verschiedener Laktationsfunktionen mit anschließender Varianzkomponentenschätzung.
Die Daten stammen von insgesamt 589 erstlaktierenden Kühen (8. bis 180. Laktationstag) aus der Bullenmutterprüfung des Versuchsbetriebes Karkendamm der Universität Kiel. Die Kühe wurden ad libitum mit einer aufgewerteten Mischration bei zweimaliger Futtervorlage je Tag gefüttert. Zusätzlich wurde eine konstante Kraftfuttermenge über Abrufautomaten angeboten. Die Milchinhaltsstoffe wurden wöchentlich bestimmt; die Milchmengenerfassung erfolgte automatisch für jedes Gemelk.
Der Modellentwicklung lagen fünf etablierte parametrische Funktionen des Laktationstages (Ali und Schaeffer, Guo und Swalve, Wilmink, Legendre Polynome 3. und 4. Grades) zugrunde, die sowohl als allgemeine Laktationskurve als auch für die zufälligen tierbedingten Abweichungen von der allgemeinen Kurve getestet wurden. Die Güte der Anpassung wurde mit Hilfe zweier Informationskriterien und der grafischen Gegenüberstellung der mittleren Residuen mit dem Laktationstag beurteilt. Anschließend erfolgte mit dem am besten angepassten Modell die Varianzkomponentenschätzung unter Verwendung der Methode REML. Das Modell berücksichtigte zusätzlich zu den fixen und zufälligen Regressionen den Herdentesttag und das Erstkalbealter. Die Schätzläufe erfolgten univariat (Heritabilitäten) und bivariat (genetische Korrelationen).
Mit der Funktion Ali und Schaeffer konnten sowohl die allgemeine Laktationskurve als auch die zufälligen Abweichungen am besten angepasst werden. Als beste Alternative erwies sich das Legendre Polynom 4. Grades.
Die Heritabilitäten für den Harnstoffgehalt der Milch schwanken in Abhängigkeit vom Laktationstag zwischen 0,28 und 0,48. Züchterisch unerwünschte genetische Beziehungen liegen zu den Milchleistungsmengenmerkmalen Milch, Fett und Eiweiß vor. Demgegenüber ergeben sich züchterisch positive Korrelationen zum Fett- und Eiweißgehalt, so dass bei einer konsequenten Selektion auf erhöhte Fett- und Eiweißgehalte eine Verringerung der Stickstoffausscheidungen zu erwarten ist.