Die Implementierung eines genomischen Zuchtwertschätzverfahrens für die Pferdezucht stellt eine Herausforderung dar, wobei kollaborative Ansätze die erforderliche Erstellung einer ausreichend großen und aussagekräftigen Lernstichprobe erleichtern. In Deutschland ermöglichte die Zusammenarbeit von fünf Pferdezuchtverbänden, bis Ende 2020 eine Lernstichprobe mit dem Fokus auf Linearmerkmalen des Exterieurs und der Leistung aufzubauen. Für die Entwicklung eines Prototyps zur genomischen Zuchtwertschätzung (gZWS) kam das sogenannte Single-Step-Verfahren zum Einsatz, bei dem sämtliche verfügbaren Daten zu Phänotypen, Genotypen und Pedigree eingehen und die Aussagekraft der Schätzung maximieren. Die Validierung des gZWS-Prototyps erfolgte mittels zweier Ansätze, die konsistente Ergebnisse lieferten. So wurden in der zehnfachen Kreuz-Validierung und in der Vorwärts-Validierung Korrelationen zwischen den genomischen Zuchtwerten (gZW) der jeweiligen Validierungsläufe und des Gesamtlaufs im mittleren (0,6) bis hohen (über 0,9) Bereich erzielt. Beim überwiegenden Anteil der Merkmale lagen die Korrelationen über 0,85, was unter Berücksichtigung der verfügbaren Datengrundlage für eine zufriedenstellende Stabilität des entwickelten Systems spricht, jedoch gewisse Änderungen der gZW in aufeinanderfolgenden Schätzläufen erwarten lässt. Unterschiede zwischen den einbezogenen Rassen waren bei der Kreuzvalidierung auszumachen, fielen jedoch gering aus. Die Nutzung der Genotypdaten und Schätzung anhand der genomischen Verwandtschaftsmatrix führte zu einer deutlicheren Differenzierung zwischen den Pferden, was für eine größere Nähe der gZW zur wahren individuellen genetischen Veranlagung sprechen kann. Innerhalb der Gruppe der linear beschriebenen Pferde der Geburtsjahre 2007–2017, aus denen sich 98% der Lernstichprobepferde rekrutierten, ließ sich der Mehrwert der Einbindung genomischer Information aufzeigen. Bei den genotypisierten Pferden waren die Korrelationen zwischen den gZW aus Vorausschätzung und Gesamtlauf höher (+0,03 bis + 0,26) und die Streuung der gZW größer (Standardabweichung > +2,0) als bei den nicht genotypisierten Pferden. In Übereinstimmung mit vorangegangenen Untersuchungen zum Merkmal Körpergröße ergab diese Arbeit keine Ergebnisse, die die Umsetzbarkeit der gZWS im Single-Step-Verfahren für lineare Exterieur- und Leistungsmerkmale auf der Grundlage einer gemischten Lernstichprobe für die deutsche Reitpferdezucht in Frage stellen. Weitere Kalibrierungen sind erforderlich, um sie zeitnah als Routineverfahren einführen zu können.
Von:  Mirell Wobbe1,2
; Hatem Alkhoder1
; Zengting Liu1
; Sarah Vosgerau3
; Nina Krattenmacher3
; Mario von Depka Prondzinski4
; Ernst Kalm3
; Reinhard Reents1
; Wietje Nolte5,6
; Christa Kühn5,7
; Jens Tetens8
; Georg Thaller3
; Kathrin F. Stock1,2
; 1 Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung w.V. (vit), Heinrich-Schröder-Weg 1, 27283 Verden (Aller)
; 2 Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung, Bünteweg 17p, 30559 Hannover
; 3 Christian-Albrechts-Universität Kiel, Institut für Tierzucht und Tierhaltung, Olshausenstr. 40, 24098 Kiel
; 4 Werlhof-Institut MVZ, Schillerstr. 23, 30159 Hannover
; 5 Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN), Institut für Genombiologie, Wilhelm-Stahl-Allee 2, 18196 Dummerstorf
; 6 Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Schlossallee 1, 01468 Moritzburg
; 7 Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät, Universität Rostock, Justus-von-Liebig-Weg 6, 18059 Rostock
; 8 Georg-August-Universität Göttingen, Department für Nutztierwissenschaften, Burkhardtweg 2, 37077 Göttingen; E-Mail: mirell.wobbe@vit.de