Klassische mehrstufige genomische Zuchtwertschätzverfahren basieren im Wesentlichen auf genotypisierten Elitetieren, insbesondere auf sogenannten Bullenlernstichproben. Die Nichtberücksichtigung von Tieren aus reinen Produktionsbetrieben oder einer Zufallsstichprobe aus der Population impliziert Verzerrungen der geschätzten genomischen Zuchtwerte, da grundlegende theoretische Annahmen der BLUP-Zuchtwertschätzung nicht eingehalten werden können. Dazu gehören die Effekte der Vorselektion bei Genotypisierungsstrategien oder auch das „double counting“ mit der Berücksichtigung der Pedigree-Verwandtschaften in der konventionellen Zuchtwertschätzung und der genomischen Verwandtschaften identischer Tiere im zweiten Schritt des mehrstufigen Verfahrens zur Schätzung der SNP-Effekte. Die Arbeitsgruppe von Prof. Misztal, Universität Georgia, USA, entwickelte ein sogenanntes Single-step-Zuchtwertschätzverfahren, welches auf den Individualphänotypen basiert und mittels H-Matrix Pedigree-Verwandtschaften und genomische Verwandtschaften simultan berücksichtigt bzw. auf die Pedigree-Verwandtschaften der genotypisierten Tiere korrigiert. In diesem Verfahren erhalten somit genotypisierte und nicht-genotypisierte Tiere in einem einzigen gemeinsamen Schätzlauf einen Zuchtwert. Das Single-step Verfahren ist insbesondere für „neue Merkmale“, für die es nur wenige Tiere mit sicher geschätzten konventionellen Zuchtwerten gibt, das Mittel der Wahl. Der Informationsgewinn manifestiert sich dabei in höheren Genauigkeiten der geschätzten BLUP-Zuchtwerte und einem breiteren Selektionspool mit effizienterer Anwendung innerbetrieblicher Selektionsstrategien.
Von:  Sven König1
; 1 Institut für Tierzucht und Haustiergenetik, Justus-Liebig-Universität, 35390 Gießen, E-Mail: sven.koenig@agrar.uni-giessen.de