Züchtungskunde, 80, (1) S. 50 – 60, 2007, ISSN 0044-5401
Genomische Selektion – Grundlagen und Perspektiven in der Michrinderzucht
S. König und H. Simianer
Zusammenfassung:
In der Milchrinderzucht hat die markergestützte Selektion die in sie gesetzten hohen Erwartungen bislang kaum erfüllen können. Der Zuchtfortschritt beruht nach wie vor auf den klassischen Methoden der Zuchtwertschätzung auf der Basis von Leistungsprü-fungsdaten, welche insbesondere beim Milchrind lange Generationsintervalle implizieren. Der Ansatz der „genombasierten Selektion“ könnte sowohl die Methoden der Zuchtwertschätzung revolutionieren, als auch zu ganz neuen Strukturen von Zuchtprogrammen führen. Genombasierte Selektionsverfahren sind möglich auf Grund der Verfügbarkeit so genannter SNP. Diese sind im Genom sehr häufig und können kostengünstig in großer Zahl auf so genannten SNP-Chips typisiert werden. Der genomische Zuchtwert eines Tieres ist dann die Summe der einzelnen SNP-Effekte und ist somit sofort verfügbar, wenn das Tier seine genetische Identität erlangt hat, also z.B. sogar schon für Embryonen. Das bedeutet auch eine Abkehr von der bisherigen Pedigree-basierten Zuchtwertschätzung (BLUP-Tiermodell) hin zu einem SNP-basierten BLUP-Ansatz, wobei Verwandteninformationen eine viel geringere Rolle spielen. Der wesentliche Faktor ist, dass schon bei jungen Tieren beiderlei Geschlechts eine Genauigkeit der Zuchtwertschätzung von 0,75 erreicht wird. In Rinderzuchtprogrammen besteht die größte Effizienzreserve in der Verkürzung des Generationsintervalls auf der Bullenseite durch Verzicht auf die Nachkommenprüfung. Modellrechnungen auf Basis der Struktur des kanadischen Holsteinzuchtprogramms kamen zu dem Ergebnis, dass eine konsequente Umsetzung der genombasierten Selektion zu einer Verdoppelung des Zuchtfortschritts pro Jahr bei einer Reduzierung der Züchtungskosten um 90 Prozent führen kann. Abschließend werden offene Fragen der Methodik und der Umsetzung diskutiert.
Keywords/Stichworte:Milchkuh, Zuchtprogramm, genomische Selektion, SPN-Genotypisierung,
Mikroarraytechnologie, BLUP-Tiermodel
In der Milchrinderzucht hat die markergestützte Selektion die in sie gesetzten hohen Erwartungen bislang kaum erfüllen können. Der Zuchtfortschritt beruht nach wie vor auf den klassischen Methoden der Zuchtwertschätzung auf der Basis von Leistungsprü-fungsdaten, welche insbesondere beim Milchrind lange Generationsintervalle implizieren. Der Ansatz der „genombasierten Selektion“ könnte sowohl die Methoden der Zuchtwertschätzung revolutionieren, als auch zu ganz neuen Strukturen von Zuchtprogrammen führen. Genombasierte Selektionsverfahren sind möglich auf Grund der Verfügbarkeit so genannter SNP. Diese sind im Genom sehr häufig und können kostengünstig in großer Zahl auf so genannten SNP-Chips typisiert werden. Der genomische Zuchtwert eines Tieres ist dann die Summe der einzelnen SNP-Effekte und ist somit sofort verfügbar, wenn das Tier seine genetische Identität erlangt hat, also z.B. sogar schon für Embryonen. Das bedeutet auch eine Abkehr von der bisherigen Pedigree-basierten Zuchtwertschätzung (BLUP-Tiermodell) hin zu einem SNP-basierten BLUP-Ansatz, wobei Verwandteninformationen eine viel geringere Rolle spielen. Der wesentliche Faktor ist, dass schon bei jungen Tieren beiderlei Geschlechts eine Genauigkeit der Zuchtwertschätzung von 0,75 erreicht wird. In Rinderzuchtprogrammen besteht die größte Effizienzreserve in der Verkürzung des Generationsintervalls auf der Bullenseite durch Verzicht auf die Nachkommenprüfung. Modellrechnungen auf Basis der Struktur des kanadischen Holsteinzuchtprogramms kamen zu dem Ergebnis, dass eine konsequente Umsetzung der genombasierten Selektion zu einer Verdoppelung des Zuchtfortschritts pro Jahr bei einer Reduzierung der Züchtungskosten um 90 Prozent führen kann. Abschließend werden offene Fragen der Methodik und der Umsetzung diskutiert.